Du bist gern draußen und gehst vielleicht auch oft im Wald spazieren? Aber, hast du deinen Waldaufenthalt auch schon mal bewußt als Entspannungsübung gesehen? Mal ehrlich, wann hast du dir das letzte Mal die Zeit genommen, bewußt zu riechen, zu fühlen und zu sehen was die Natur uns an Wunder schenkt? Wann konntest du dich wirklich im Wald entspannen?
Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes
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Ich bin täglich mit unserer Hündin draußen auf Feld und Wiese und auch im Wald unterwegs. Und doch liegt dann der Fokus hauptsächlich auf dem Hund. Ich scanne meine Umgebung eher danach, ob in der Nähe ein Reh oder Hase die Aufmerksamkeit meiner Hündin wecken könnte, als das ich bewußt meine Umgebung genieße.
Daher habe ich heute an einem Kurs zum Waldbaden bzw. Shinrin Yoku, wie es in Japan genannt wird, teilgenommen. Obwohl ich selbst bereits eine Online-Ausbildung dazu absolviert habe, fehlte mir die praktische Erfahrung in einer Gruppe. Ich bin ein sehr visuell orientierter Mensch und mir fällt es schwer abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. In einer Gruppe mit anderen Teilnehmern ist das dann noch einmal schwieriger. So entschied ich mich meine Kamera mit einem alten analogen Objektiv mitzunehmen. Wenn ich durch den Sucher meiner Kamera schaue, kann ich mich fokussieren und alles andere um mich herum einfach vergessen. Das sollte sich heute auch als eine gute Idee erweisen.
Warst du schon einmal zum Waldbaden?
Nein? Dann möchte ich dir hier einen kleinen Einblick in meine Erfahrung geben.
Und nein, Waldbaden heißt nicht im Wald baden gehen. Jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne. Es geht mehr darum in der Atmosphäre des Waldes einzutauchen.
Das habe ich selbst beim Waldbaden erlebt:
An einem späten Sonntagvormittag trafen wird uns mit der Dozentin an einem Waldparkplatz. Als erstes kümmerten wir uns dann um den notwendigen Mückenschutz und schauten, dass alle Teilnehmer eine Sitzunterlage dabei hatten. Dann gab es ein paar einführende Worte und wir gingen gemeinsam zu einem Platz im Wald, der unter der Woche von einem Waldkindergarten genutzt wird.
Nach einer Vorstellungsrunde und weitere Informationen, woher das Waldbaden kommt und welche Wirkung es auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen haben kann, stellten wir uns in einen Kreis aus Reisig, der von den Kindern mal gelegt worden war. Es folgten Atemübungen, wir beobachteten unsere verschiedenen Sinne, lauschten auf die Geräusche, nahmen die verschiedenen Gerüche war und spürten den leichten Wind auf der Haut. Auch spürten wir in unsere Fußsohlen und stellten uns vor, wie sie Wurzeln schlugen und tief in die Erde wuchsen. Es war ein wunderschönes Gefühl, sich selbst und die Natur zu erleben. Fern ab von Hektik und Zeitdruck. Einfach nur sein und erleben.
Stille erleben
Nach einer kurzen Klopfübung mit der wir uns wieder energetisierten ging es dann weiter auf dem Waldweg. Wir gingen ein ganzes Stück im völliger Stille und jeder für sich. Ich ging ganz als letztes, da ich spürte, wie ich mehr Abstand zu den anderen Teilnehmern brauchte und mich nicht hätte entspannen können, wenn jemand hinter mir geht. So nahm ich dann meine Kamera zur Hand und ging ganz langsam und mit offenen Augen und offenem Herzen den Weg des Schweigens. Als erstes sah ich ein verwelktes Blatt zwischen all dem Grün. Dann einen moosbewachsenen Baumstamm der wie eine Brücke über einem Graben lag. Ich spürte hinein in die Bilder und Bedeutungen. Ich entdeckte zarte Gräser im Wind und rote Blätter und bunte kleine Blumen. Ein blaue Prachtlibelle, Schmetterlinge und Hummeln. Das Licht in den Bäumen und das Rauschen in den Blättern. Viel zu schnell war dieser Weg zuende.
Die Energie spüren
Dann gingen wir ein kleines Stückchen vom Weg ab und standen unter einer großen Buche. Wir spürten nach, welche Energie die Buche ausstrahlt und überlegten, was im Vergleich dazu zum Beispiel eine Eiche oder eine Birke für eine Energie hat. Wir hatten dann Zeit uns in der Umgebung einen Baum auszusuchen, der uns ansprach und uns bei ihm aufzuhalten, seine Energie zu spüren und in uns zu gehen. Mich sprach eine Buche mit einer völlig anders aussehender Rinde an und ich setzte mich eine Weile darunter. Ich hing meinen Gedanken nach, wie richtig doch dieser Baum ist, trotz seiner so rauhen und unebenmäßigen Rinde. Alles hat seine Berechtigung auf Erden, hat seine Aufgabe und ist für etwas gut.
Mit meiner Kamera fing ich den Zauber vom Licht ein, die kleinen Blätter am Stamm und auch einen verkohlten Baumstumpf, der wohl mal vom Blitz getroffen wurde.
Bewußt sehen und entdecken
Irgendwann erklang die kleine Glocke, die uns wieder in die Gegenwart holte und wer wollte durfte über seine Erfahrungen bei "seinem" Baum berichten. Nun ging es wieder auf den Waldweg zurück und jeder durfte sich als kleine Anregung einen Zettel ziehen. Dort stand die Einladung etwas in der Natur zu finden. Zum Beispiel etwas Rauhes und etwas Glattes, oder etwas Raschelndes und etwas Leises. Es gab für jeden Teilnehmer eine andere Aufgabe. Ich zog den Zettel auf dem stand: Finde etwas Genießbares und etwas Ungenießbares. Mit dieser "Aufgabe" machten wir uns dann auf den Weg und entdeckten viele kleine und große Wunder. Ich fand passend zu meinem Zettel eine Brennessel, Johanniskraut und Waldhimbeeren und für den Part den Ungenießbaren wählte ich einen kleinen Stein.
In die Stille des Waldes lauschen
Als wir an unserem Ausgangspunkt im Wald wieder ankamen, machten wir noch eine Übung, bei der wir bewußt auf die Vogelstimmen im Wald achteten. Danach gab es eine kleine Stärkung mit Birkenwasser und Obst und wir tauschten uns noch einmal über unsere Erlebnisse im Wald aus. Die drei Stunden vergingen wie im Flug und doch war ich selten so ruhig und entspannt.
Auch wenn ich eigentlich täglich in der Natur unterwegs bin, so werde ich mir jetzt doch regelmäßig Auszeiten gönnen und ganz alleine losziehen. Ich könnte mir vorstellen, dass das Erlebnis dann noch um einiges intensiver wird.
Wenn du nun Lust bekommen hast, auch einmal im Wald baden zu gehen, dann möchte ich dir die folgenden Tipps dazu geben:
10 Tipps für dein erstes Waldbad
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Bleib auf den Wegen
Achte darauf, nichts im Wald zu zerstören. Bleib möglichst auf den Wegen oder gehe zumindest nicht weit vom Weg ab, damit du das Wild dort nicht störst.
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Such dir DEINEN Wald
Suche dir einen Wald der dich anspricht. Es gibt lichte Wälder in denen man gut mit den Bäumen Kontakt aufnehmen kann und es gibt aber auch dunkle Tannenwälder mit dichtem Unterholz. Vielleicht reicht auch schon ein besonderer Baum in einem Stadtpark. Wichtig ist, dass du dich dort wohlfühlst und du ein Gefühl des Willkommenseins hast. Achte mal darauf, wie
unterschiedlich die verschiedenen Wälder dich empfangen. -
Schalte dein Handy aus.
Gönn dir eine digitale Auszeit. Kein Klingeln, kein Piepen, kein Brummen. Außer es kommt aus der Natur.
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Stell dir deinen Wecker
Wenn du zu einem bestimmten Zeitpunkt dein Waldbad beendet haben willst, oder später noch Termine hast, dann stell dir unbedingt deinen Wecker. Stell ihn dir auf die Zeit an der du spätestens wieder zurück gehen möchtest. Aber lass dir genügend Zeit. Der Wecker soll dir nur die Sicherheit geben, dass du die Zeit nicht völlig aus dem Blick verlierst und später unter Zeitdruck dein Waldbad beenden musst. Und dann schau nicht wieder auf die Uhr. Bleib solange im Wald, wie es dir guttut. Du weißt, dass du dich fallen lassen kannst und du ausreichend Zeit hast.
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Hinterlasse keinen Spuren
Verlasse den Wald so, wie du ihn vorgefunden hast. Lasse keinen Müll liegen und breche keine Zweige ab.
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Vergiß die Verpflegung nicht
Nimm dir Wasser mit und evtl. auch einen kleinen Snack. Damit kannst du deine Entspannung im Wald dann voll und ganz genießen und musst nicht früher abbrechen, nur weil dein Magen knurrt oder du Durst bekommst.
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Schütz dich vor Insekten
Auch ein Mückenschutzspray (kann man übrigens auch selbst herstellen) sorgt für einen entspannten Aufenthalt im Wald. Nichts ist schlimmer, als wenn du dich entspannen willst und in einer Tour summt es um dich herum und du hast Angst davor gestochen zu werden. Suche dich aber später zu Hause auf jeden Fall gründlich nach Zecken ab.
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Pack eine Unterlage zum Sitzen ein
Ein kleines Sitzkissen ist sehr angenehm, wenn du dich auf Baumstämme oder den Waldboden setzen möchtest. Gerade im Frühjahr oder Herbst/Winter sind die Baumstämme und der Waldboden kalt und feucht. Wenn du dich im Wald wohl fühlst, kannst du einfach besser entspannen.
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Kamera bzw. Handykamera dabeihaben
Wenn du ein visueller Mensch bist, so wie ich, kannst du deine Kamera mit in den Wald nehmen und deine Gefühle und Empfindungen versuchen auf einem Bild festzuhalten. Lasse dich aber nicht dazu hinreißen, auf Motivsuche zu gehen. Wichtig ist, dass die Motive dich finden. Nicht umgekehrt. Es kommt nicht auf die richtige Belichtung und richtige Verschlusszeit an, sondern einfach nur auf die Emotion, die du einfangen möchtest.
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Schreibheft und Stift können die Gedanken ordnen
Auch sehr hilfreich ist es, sich ein kleines Heft und einen Stift mitzunehmen. Die Bäume haben die Antworten auf alle Fragen. Setze dich still hin und lasse deine Gedanken ziehen. Und manchmal ist dann einfach die Lösung für ein altes Problem da, ohne dass man bewußt darüber nachgedacht hat. Dann kannst du dir Notizen machen und alles zu Papier bringen. Danach lass wieder los, fühle und lausche.
Fazit:
Waldbaden, der Gesundheitstrend aus Japan, findet auch bei uns in Deutschland immer mehr Anklang. Shinrin Yoku, so die japanische Bezeichnung, bedeutet soviel wie "Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes" und das beschreibt es ganz wunderbar. Ob Ruhe oder Kraft, Gelassenheit oder mehr Energie, du findest im Wald, was immer du brauchst und suchst. Auf jeden Fall hilft es dir ganz wunderbar beim entspannen im Wald.
Ich wünsche dir viel Freude bei deinem nächsten Besuch im Wald und bitte dich aber, leise und achtsam den Lebensraum der Bäume und Waldbewohner zu betreten.
Deine Sonja